Landtagswahlen 2024 in Sachsen und Thüringen: Sehnsucht nach einer 'Diktatur der Mehrheit'

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Landtagswahlen 2024 in Sachsen und Thüringen: Sehnsucht nach einer 'Diktatur der Mehrheit'

In den östlichen Bundesländern Sachsen und Thüringen stehen die Landtagswahlen 2024 vor der Tür. Doch statt einer erwarteten politischen Neuorientierung, scheint sich ein anderes Bild abzuzeichnen. Viele Bürger äußern Sehnsucht nach einer 'Diktatur der Mehrheit', also nach einer Regierung, die endlich handlungsfähig ist und Entscheidungen trifft, ohne sich von Minderheiten behindern zu lassen. Doch wie kompatibel ist diese Forderung mit den Grundprinzipien der Demokratie? Ist dies ein Ruf nach mehr Stabilität oder ein Angriff auf die Rechte der Minderheiten? Wir werfen einen Blick auf die Hintergründe und Folgen dieser Entwicklung.

Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Mehrheit will autoritär regieren

Demokratie ist eine anstrengende Staatsform. Neben ein paar begeisternden Momenten wie derzeit beim Nominierungskongress der Demokraten in Chicago beherrschen Streit, Regierungskrisen, Proteste und ein ständiger Wettbewerb das Bild. Zugleich haben viele Menschen das Gefühl, zu kurz zu kommen, weil andere angeblich privilegiert werden oder ungerechtfertigt Sozialleistungen kassieren. Man kann gewissermaßen Demokratien als Kampf aller gegen alle sehen.

Sehnsucht nach einer

Sehnsucht nach einer 'Diktatur der Mehrheit' in Sachsen und Thüringen

Klar, dass manche sich da nach Ruhe sehnen. Andererseits ist Demokratie auch eine sehr bequeme Staatsform. Wer nicht mitmachen will, kann abseits stehen. „Ich interessiere mich nicht für Politik“, ist ein Satz, der gerade in reifen Demokratien häufig zu hören ist. Hier gilt „Politisieren“ als unfein oder einfach lästig. Aber es gibt keine Verpflichtung als Individuum, an einer Demokratie mitzuwirken. Jedem und jeder ist erlaubt, ausschließlich ein Privatleben zu führen.

Nichts ist so falsch wie der unter Linken populäre Spruch: „Alles Private ist politisch.“ In der Bundesrepublik herrschen beide Bilder vor. Es gibt viele Menschen, die sich für die tägliche Auseinandersetzung in der Politik interessieren und solche, die lieber abseits stehen.

Extremismus in Ostdeutschland: AfD und BSW bedrohen die liberale Demokratie

Seit einigen Jahren – stärker im Osten Deutschlands, aber auch im Westen – gibt es eine neue Form von Ressentiment gegen die liberale Demokratie, so wie sie sich in der Bundesrepublik und den meisten westlichen Ländern etabliert hat. Der Staat und die ihn tragenden Gruppen werden als „Eliten“ radikal abgelehnt. Man erhofft sich von Parteien, die klar autoritäre Züge tragen wie die AfD oder die mit Diktatoren liebäugeln wie das BSW, eine durchgreifende Änderung der politischen Verhältnisse: Weniger Streit, hartes Durchregieren, autoritäre Herrschaft und die rigorose Beschneidung von Leistungen bestimmter Gruppen wie Migranten, Langzeitarbeitslose oder Bürgergeldempfänger.

Kurz: Die Mehrheit soll ihr Programm autoritär durchziehen und auf Minderheiten keine Rücksicht nehmen. Der Historiker und DDR-Experte Ilko-Sascha Kowalczuk hat dafür einen Begriff geprägt: „Die Diktatur der Mehrheit“.

In Sachsen oder Thüringen hat die AfD längst das Vereinsleben, die Kommunalpolitik oder die Bürgerfeste gekapert. In vielen Gemeinden existiert keine Trennmauer zwischen Demokraten und Extremisten. Wie früher die SED-Nachfolgepartei PDS, dann die Linken gehört jetzt die AfD zum politischen Leben hinzu.

Beide Landesverbände könnten aus den Wahlen am 1. September als stärkste Partei hervorgehen. Die thüringische AfD unter Rechtsaußen Björn Höcke dürfte laut Umfragen kaum vom ersten Platz zu verdrängen sein. Es erscheint nicht einmal als ausgeschlossen, dass der rechtsextreme Höcke sogar Ministerpräsident von Thüringen wird.

Warum votieren Menschen – auch in Ungarn oder der Türkei, selbst in Israel und den USA – für Parteien und Personen, die ihnen Freiheitsrechte nehmen wollen, die Justiz behindern, die freie Meinungsäußerung unterdrücken und ihr politischen Programm auf Lügen aufbauen.

Oft steigt in autoritären Staaten das Ausmaß der Korruption, die Bürger sind von Willkür bedroht, und oftmals müssen Unternehmer, aber auch Arbeitnehmer fürchten, ihr Eigentum zu verlieren oder zu allen möglichen Diensten herangezogen zu werden.

Freizügigkeit, der Wert der Währung, solide Staatsfinanzen und andere Errungenschaften liberaler Demokratien sind gefährdet. Der Historiker Kowalczuk sieht bei den Bewohnern Ostdeutschlands oft die Erwartung, dass wie in der DDR der Staat alles regeln soll.

Das BSW Wagenknechts stößt in ein ähnliches Horn und macht die Frage, Krieg oder Frieden, zu ihrem Wahlkampfschlager. Dabei propagiert das Bündnis ein Nachgeben gegenüber dem Kreml-Diktator Wladimir Putin. Das klingt ähnlich autoritär wie bei der AfD.

Beide Parteien zusammen haben in Umfragen sowohl in Thüringen wie in Sachsen bereits eine Mehrheit. Es ist eine Mehrheit gegen die liberale Demokratie.

In Ostdeutschland hingegen hat die Wirtschaft gegenüber dem Westen deutlich aufgeholt. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liegt inzwischen bei 72 Prozent des westdeutschen Werts, bei den verfügbaren Einkommen sind es fast 90 Prozent. Die Arbeitslosenquote steht nur zwei Prozentpunkte über jener der alten Länder.

Der Zweifel an der Demokratie von fast der Hälfte der Bevölkerung rührt von etwas Anderem her. Es ist das Gefühl des Abgehängtseins, der mangelnden Wertschätzung, der gefühlt fehlenden Aufstiegschancen. Oft kommt das laut soziologischen Studien vor allem bei Älteren und chancenlosen jüngeren Männern vor.

Sie hadern mit der Anerkennung ihrer Lebensleistung oder – wie bei den Jüngeren – mit der eigenen Unzulänglichkeit, sich in einer individuellen Wettbewerbsgesellschaft zurechtzufinden. Das Gefühl der Ohnmacht, die Sorge vor Abstieg bei gleichzeitiger Verherrlichung kollektiver Sehnsüchte nach einer starken Regierung bringt die Präferenz für autoritäre Herrschaft hervor.

Ein gefährlicher Mix. Er kann nur entschärft werden, wenn die aktive Bevölkerung, die durch solche Tendenzen um ihre Zukunftschancen gebracht werden, entgegenstellt.

Stefan Lehmann

Ich bin Stefan, ein Journalist von der Webseite Uslar Hier, einer nationalen Zeitung für das Zeitgeschehen. Ich liefere die neuesten Nachrichten mit strenger Objektivität und decke eine Vielzahl von Themen ab. Meine Artikel sind gut recherchiert und informieren die Leser über wichtige Ereignisse in der Welt. Meine Leidenschaft für den Journalismus und mein Streben nach Wahrheit spiegeln sich in meiner Arbeit wider, während ich stets daran arbeite, die Leser bestmöglich zu informieren.

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