Die Stadt Essen steht vor dem größten Polizeieinsatz ihrer jüngeren Geschichte
Seit Monaten bereiten sich die Sicherheitsbehörden auf den befürchteten Ansturm linksextremer Gewalttäter auf den Parteitag der AfD in der Essener Grugahalle am kommenden Wochenende vor. In den sozialen Medien im Internet rufen die radikalen Teile der Szene unverhohlen zu Gewalttaten auf, um den Parteitag zu verhindern.
„Wir wollen den Samstag bereits frühmorgens mit ein wenig Feuer einleiten, die wir so platzieren, dass der AfD die Anreise zur Grugahalle bereits deutlich erschwert wird“, heißt es auf der Plattform „indymedia“, und weiter: „Sollte die Partei es dennoch schaffen, dort zusammenzukommen, gehen wir zum offensiven Angriff über. Bulleneinheiten, die im Weg stehen, werden wir beiseite räumen.“
„Einer der größten Polizei-Einsätze, die es in Essen je gegeben hat“
Die Stadt Essen wollte den mit der AfD abgeschlossenen Mietvertrag für die Grugahalle wieder kündigen - und den Parteitag so verhindern. Doch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen urteilte, dass die Stadt die AfD nicht anders behandelt dürfe als andere politische Parteien.
Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Der Stadtteil rund um die Grugahalle wird während des Parteitages in einen Ausnahmezustand versetzt – mit Straßensperren und Kontrollpunkten. Die Polizei hat mehrere tausend Kräfte zusammengezogen. Anwohner müssen auf dem Weg in ihre Wohnungen ihre Ausweise vorzeigen, Hauptverkehrsstraßen werden gesperrt, Bus- und Straßenbahn werden eingestellt. Viele Läden bleiben komplett geschlossen. Grugapark und das dortige große Freibad werden nicht öffnen.
Protestveranstaltungen zum AfD-Bundesparteitag in Essen
Welche Protestveranstaltungen zum AfD-Bundesparteitag in Essen geplant sind: Demo-Rave, Mahnwache, Straßensperrungen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte eine harte Linie gegen die Gewalttäter und die Androhungen im Internet an. „Das ist der Aufruf zu Straftaten – und wir werden zu all diesen Sachen Strafanzeigen schreiben. Wir haben da kein Verständnis und greifen hart durch“, sagte Reul. „Falls es erforderlich sein sollte, wird die Polizei in Essen diesen Schutz auch sehr robust gewährleisten“, so Reul.
Die Polizei schätzt, dass rund 1000 gewaltbereite Störer aus ganz Deutschland insbesondere aus den Räumen Hamburg, Leipzig und Göttingen sowie dem Ausland kommen werden. Aus informierten Kreisen heißt es zudem: „Wir haben schon Nester mit Pflastersteinen und anderem Wurfmaterial ausgehoben.“
Ein Zirkuszelt für die Demokratie
Getragen wird der Protest gegen die AfD aber von einem breiten Bündnis friedlicher Demonstranten, die zu gewaltfreien Kundgebungen aufrufen, darunter Stadt, Unternehmen, Kirchen und Initiativen. Die größten Proteste mit insgesamt bis zu 80.000 erwarteten Teilnehmern werden am Samstag zu Beginn des AfD-Parteitags stattfinden.
Die Initiative „Gemeinsam Laut“ ruft ab 10 Uhr zu einer Großdemonstration auf, die am Hauptbahnhof starten und an der Grugahalle enden soll. Die zentrale Versammlung am Nachmittag organisiert die Stadt Essen auf dem Messeparkplatz P2 nicht weit von der Grugahalle, in der sich die AfD-Delegierten treffen.
„Da kommt ein extrem schwerer Einsatz auf uns zu. Wir rechnen mit sehr vielen militanten Gegendemonstranten. Ein Problem wird sicherlich ein, dass Straftaten aus der Menge heraus begangen werden. Es ist extrem schwierig, die Gewalttäter aus dem friedlichen Demonstrationsgeschehen zu separieren“, sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus.
Stars rufen zur Demo gegen den AfD-Parteitag in Essen auf
Die Toten Hosen und Co. rufen zur Demo gegen den AfD-Parteitag in Essen auf.
Am Samstag findet abends in Dortmund auch das Länderspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Dänemark statt, was die Gesamtlage für die Polizei nicht einfacher macht. „Durch die EM sind viele Kräfte bereits gebunden. Dadurch steht uns natürlich auch nur ein begrenztes Kontingent zur Verfügung“, sagt Rettinghaus.
Reul scheint sich über die Terminierung des Parteitages zu ärgern. „Natürlich steht es allen Parteien völlig frei, wann und wo sie ihre Tagungen abhalten. Ob nun aber gerade einer der – bekanntermaßen – kontroversesten Bundesparteitage während einer EM stattfinden muss, ist schon eine Frage, über die alle Beteiligten in einer stillen Minute mal nachdenken könnte“, sagte der Landesinnenminister.
Gewaltbereite Autonomen rechnen wegen der EM mit weniger Polizei. „Es wird der Staatsmacht nicht möglich sein, uns mit einem großen Aufgebot an Aktionen wirksam zu stören“, schreiben sie. Dem entgegnet Reul: „Wer glaubt – oder hofft – wir wären personell nicht in der Lage, diese Einsatzlage zu bewältigen, der irrt.“
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