- Thüringen: Landtag konstituiert sich - Wer wird Landtagspräsident?
- Thüringer Landtag konstituiert sich: Wer wird Landtagspräsident?
- Ein erstes Kräftemessen zwischen AfD und den anderen Fraktionen
- Kandidaten für die Landtagsspitze
- Szenarien für die Landtagssitzung
- Das Verfassungsgericht wird möglicherweise angerufen
- Weitere Unwägbarkeiten
- Ein Kompromiss möglich?
Heute findet die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags statt, bei der die Abgeordneten des neuen Parlaments sich offiziell konstituieren werden. Nach der Landtagswahl am 27. Oktober 2019, bei der die Linke mit 29,7 Prozent der Stimmen als stärkste Fraktion hervorging, stehen die Weichen für eine neue Legislaturperiode. Doch bevor die Arbeit im Parlament beginnen kann, muss zunächst der Landtagspräsident gewählt werden. Die Frage, wer das Amt übernehmen wird, ist noch offen. Werden die Abgeordneten einen Vertreter der Linken wählen oder wird ein Politiker einer anderen Partei das Amt übernehmen? Die Entscheidung wird heute fallen.
Am Donnerstag, den 26. September, trifft sich der Thüringer Landtag zu seiner ersten Sitzung nach der Wahl - und gibt einen Vorgeschmack darauf, wie vertrackt und explosiv die politische Lage in dem kleinen Freistaat ist.
Die AfD kann sich einen Kompromiss bei der Präsidentenwahl vorstellen, aber es geht darum, wer den Vorsitz im Parlament übernehmen wird. Die AfD als stärkste Kraft mit 32 von 88 Abgeordneten hat das Vorschlagsrecht für das zweithöchste Staatsamt. Die anderen vier Fraktionen wollen aber keinen Kandidaten einer Partei an die Spitze des Parlaments wählen, die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet wird.
Ein erstes Kräftemessen zwischen AfD und den anderen Fraktionen
Es wird sicher ein spannender Tag, prophezeit der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Torben Braga. Warum diese Nervosität? In Thüringen erinnern sich viele noch an die Ministerpräsidentenwahl 2020, als die AfD einen Scheinkandidaten aufstellte, den sie nicht wählte, sondern stattdessen dabei half, den FDP-Politiker Thomas Kemmerich in das Amt zu hieven.
Nun geht es um das Amt des Landtagspräsidenten. Die AfD hat als stärkste Kraft mit 32 von 88 Abgeordneten das Vorschlagsrecht für das zweithöchste Staatsamt. Die anderen vier Fraktionen wollen aber keinen Kandidaten einer Partei an die Spitze des Parlaments wählen, die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet wird.
Die AfD-Fraktion hat ihre Abgeordnete Wiebke Muhsal als Kandidatin nominiert. Die 38-Jährige wurde vor Jahren wegen Betrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Gerichte sahen es als erwiesen an, dass sie einen Arbeitsvertrag mit einer Mitarbeiterin im Jahr 2014 um zwei Monate vordatierte, um zusätzliches Geld von der Landtagsverwaltung zu erhalten. Thüringens BSW-Fraktionschefin Katja Wolf nannte den Vorschlag eine Provokation.
Die CDU schickt Thadäus König quasi als Konsenskandidaten in die Wahl. Der 42-Jährige hatte bei der Landtagswahl das landesweit beste Erststimmenergebnis. Vertreter von BSW, SPD und Linke signalisierten, dass sie König als einen guten Bewerber für die Landtagsspitze ansehen.
Geleitet wird die Sitzung vom Alterspräsidenten, dem 73 Jahre alten Jürgen Treutler von der AfD. Laut Tagesordnung eröffnet er die Sitzung, ruft die Namen der Abgeordneten auf und stellt die Beschlussfähigkeit des Landtags fest. Üblich ist auch, dass gefragt wird, ob es Einwände zur Tagesordnung gibt.
Treutler hatte zuletzt angedeutet, dass er mit Einwänden rechnet - und auch mit Unterbrechungen. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, sagte, er könne sich vorstellen, dass Treutler den Tagesordnungspunkt zur Änderung der Geschäftsordnung eigenmächtig überspringt oder absetzt. Dann würden wir widersprechen, sagte Bühl.
Das Verfassungsgericht wird möglicherweise angerufen
CDU-Fraktionschef Voigt will das Verfassungsgericht in Weimar anrufen, wenn gegen die Regeln des Landtags oder gegen die Verfassung verstoßen werde. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der AfD kündigte den Gang zum Verfassungsgericht an, sollte der Landtag die bisher bestehende Geschäftsordnung nicht einhalten.
Wenn die Verfassungsrichter entscheiden müssen, würde die Landtagssitzung unterbrochen. Das Bundesverfassungsgericht hatte jüngst bei einer Klage der AfD-Bundestagsfraktion deutlich gemacht, dass ein Vorschlagsrecht nicht verbunden ist mit einem bestimmten Wahlergebnis.
Der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland beschreibt es so: Die AfD habe ein Vorschlagsrecht, aber kein Recht auf ein bestimmtes Amt - dafür muss sie Mehrheiten bekommen. Aus seiner Sicht wäre es aber eleganter gewesen, die Geschäftsordnung des Landtags schon vor Monaten zu ändern.
Weitere Unwägbarkeiten
Alterspräsident Treutler könnte auch einfach den Plenarsaal verlassen und damit für eine Unterbrechung der Sitzung sorgen. Dann wäre womöglich der zweitälteste Abgeordnete an der Reihe - aus dem Kreis der parlamentarischen Geschäftsführer hieß es, dass das ebenfalls ein AfD-Abgeordneter wäre.
Es gibt aber noch viele andere Unwägbarkeiten - etwa wenn Treutler gar nicht erst die Namen der Abgeordneten aufruft und keine Beschlussfähigkeit hergestellt ist. Dann gebe es eine Liste mit Unterschriften, mit der die Beschlussfähigkeit nachgewiesen werden könnte, hieß es.
Ein Kompromiss möglich?
Viele Fragen bleiben offen. Vielleicht geht die Landtagssitzung aber auch ohne längere Unterbrechung und mit einer Wahl aus. Die AfD pocht zwar auf ihr Vorschlagsrecht für die Präsidentenwahl, Braga schloss aber auch ein Kompromissangebot nicht aus. Er sei pragmatisch genug, dass ein Präsidentenkandidat der AfD im Thüringer Parlament keine Mehrheit finden werde. Er sei jedoch optimistisch, dass eine Lösung gefunden wird. Es gibt Möglichkeiten, Kompromisse zu treffen.
Wie die aussehen könnten, ließ Braga vor der entscheidenden Landtagssitzung offen.
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