- Aufwachsen im Heim - Wie wirkt sich das auf spätere Beziehungen aus?
- Ein Wochenendpapa und die Suche nach Liebe und Zuwendung
- Die Trennung von der Mutter und der Vater als Wochenendpapa
- Die Beziehung zur Mutter und die Suche nach Liebe
- Das Leben im Kinderheim
- Die positive Wende und die Suche nach Helfen
- Die spätere Heirat und der Verlust der geliebten Frau
Aufwachsen im Heim - Wie wirkt sich das auf spätere Beziehungen aus?
Das Aufwachsen in einem Heim ist für viele Menschen eine prägende Erfahrung, die tiefgreifende Auswirkungen auf ihre weitere Lebensentwicklung hat. Insbesondere die sozialen Beziehungen, die in dieser Zeit geknüpft werden, spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Beziehungsmustern und -strukturen. Doch wie wirkt sich das Aufwachsen in einem Heim tatsächlich auf die späteren Beziehungen aus? Lassen sich Muster und Strukturen erkennen, die durch diese Erfahrung geprägt werden? Wir wollen in diesem Artikel genauer betrachten, wie das Aufwachsen in einem Heim die Grundlage für spätere Beziehungen legt und wie dies die persönliche Entwicklung beeinflusst.
Ein Wochenendpapa und die Suche nach Liebe und Zuwendung
Andreas Schmitz erzählt von seiner Kindheit in einem Düsseldorfer Kinderheim. Er wartete jeden Samstag auf einer Bank im Eingangsbereich auf seinen Vater. Als Kind kam ihm diese Bank riesig vor. Er hatte Mitleid mit anderen Kindern, die nicht von ihren Eltern abgeholt wurden.
„Ich wurde immer abgeholt, wenn Papa das gesagt hat: ,10 Uhr, am Samstag, da hol ich dich ab, mit deiner Schwester’“, so Schmitz. Mehr als 120.000 junge Menschen in Kinder- und Jugendeinrichtungen waren 1962 wie er und seine Schwester – er sechs Monate alt, seine Schwester ein Jahr älter – in ein Heim in Düsseldorf gekommen.
Die Trennung von der Mutter und der Vater als Wochenendpapa
Seine Mutter litt an Schizophrenie und kam in eine Klinik für psychische Erkrankungen. Der Vater musste arbeiten. Schmitz kann ihn verstehen: „Ich war noch klein, meine Schwester auch.“ Er habe eben einen „Wochenendpapa“ gehabt.
Sie besuchten den Wildpark, machten Ausflüge auf den Fußball- oder Spielplatz, Schmitz erinnert sich an gemeinsames Frühstück und Eisessen im Sommer. „Es war schon schön zusammen, aber irgendwas hat eben gefehlt.“
Die Beziehung zur Mutter und die Suche nach Liebe
Seine Mutter lernte er kennen, als er fünf Jahre alt war. „Aber das war nicht meine Mutter. Also es war meine Mutter, aber ich hatte keine Beziehung zu ihr wie zu einer Mutter.“ Durch ihre Krankheit seien die Treffen nicht einfach gewesen.
Auch heute wohnen viele Kinder nicht bei ihren Eltern. Im Jahr 2022 wurden laut Statistischem Bundesamt 121.000 junge Menschen in einem Heim und weitere 86.000 in einer Pflegefamilie betreut. 27 Prozent der Kinder waren jünger als zehn Jahre, 48 Prozent jünger als 14 Jahre. In jedem zweiten Fall waren die Eltern alleinerziehend.
Das Leben im Kinderheim
Im Heim habe er sehr unter der fehlenden Nähe zu seinen Eltern gelitten, sagt Schmitz heute. Er habe an Albträumen gelitten, gestottert und manchmal eingenässt. Freundschaften seien ihm schwergefallen, auch wenn es im Heim genug Kinder zum Spielen gab.
Die Nonnen, die die Kinder in den ersten Jahren in dem Düsseldorfer Heim betreut haben, seien streng und autoritär gewesen. Er berichtet von harten, zum Teil auch von körperlichen Strafen.
Die positive Wende und die Suche nach Helfen
1972 wurde das Heim von der Stadt übernommen, Sozialarbeiter und Erzieher übernahmen die Betreuung der Kinder. Das modernere pädagogische Konzept half Schmitz: „Die Zeit des Bettnässens war vorbei. Ich bin mental ein bisschen stärker geworden. Und ich konnte auch mehr reden. Ich habe ja vorher fast nicht geredet. Ein ganz stiller Junge war ich“, sagt Schmitz.
Das Leben nach dem Kinderheim hat Spuren hinterlassen: „Ich habe ein Helfersyndrom“, so Schmitz. Er bringt heute Kleidung und Lebensmittel zu Notschlafstellen, kocht für Bedürftige, sammelt Gummibänder vom Boden auf, damit sich Tauben darin nicht verfangen, und auch bei der Kronkorkensammlung für gute Zwecke engagiert er sich.
Die spätere Heirat und der Verlust der geliebten Frau
Mit Mitte zwanzig lernte Schmitz Anita (Name geändert) über die Arbeit kennen, seine spätere Frau. Noch heute erzählt er schwärmend davon.
Die Ehe hielt nicht, später starb Anita an einer schweren Krankheit. „Am Ende konnte sie nicht mal mehr sprechen. Ich habe ihre Hand gehalten“, erzählt er von seinem letzten Besuch im Krankenhaus vor ihrem Tod.
Heute lebt Schmitz alleine mit seinem Kater. Er geht regelmäßig zum Friedhof. „Alle drei Wochen, wenn ich einen kleinen, traurigen Tag habe. Ich setze mich auf die Bank und rede mit Anita oder mit meinem Vater“, sagt er. Auch seine leibliche Mutter und seine Stiefmutter seien dort begraben. Mit seiner Schwester trifft er sich weiterhin.
Schmitz sagte heute: „Ich habe meinen Frieden geschlossen.“
Schreibe einen Kommentar